Meinungsfreiheit in Gefahr?

Dieter Nuhr und die Deutsche Forschungsgemeinschaft

1920 ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) als Notgemeinschaft gegründet worden, weil „Gelehrte nicht mehr in der Lage sind, ihre Werke überhaupt nur drucken zu lassen“, so der damalige Reichsfinanzminister in der Weimarer Republik, Joseph Wirth. 100 Jahre später führt die DFG die von ihr damals geforderte Freiheit selbst ad absurdum. Aus Anlass des Geburtstages hatte sie verschiedene Persönlichkeiten, u.a. den Kabarettisten Dieter Nuhr, gebeten, einen 30-Sekunden-Beitrag zu verfassen. Ziel sei es, dafür zu werben, dass man eine freie und erkenntnisgeleitete Forschung in der Gesellschaft benötige. Wer würde da widersprechen?

Nuhr folgte dieser Bitte und verfasste einen Podcast, in dem er sinngemäß darauf hinwies, dass Wissen nicht bedeute, dass man sich zu 100 Prozent sicher sei. Wissenschaft sei schließlich keine Religion, die absolute Wahrheiten verkünde. Und wer ständig rufe, „folgt der Wissenschaft“, habe das offensichtlich nicht begriffen. Wissenschaft, so Nuhr, wisse nicht alles, sei aber „die einzige vernünftige Wissensbasis, die wir haben. Deshalb ist sie so wichtig.“

Die vom Bund mit 3 Milliarden Euro aus Steuermitteln geförderte DFG stellte zunächst mit dankbarem Kommentar an Nuhr diesen Podcast ins Netz und zog damit einen Shitstorm von linken Gutmenschen auf sich. Wer nun gedacht hätte, dass die DFG in ihrer Antwort Artikel 5 des Grundgesetzes zitiert, wonach „Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ steht, sah sich getäuscht. Die DFG knickte wenige Stunden später ein mit dem Hinweis: „Liebe Community, wir nehmen die Kritik, die vielen Kommentare und Hinweise ernst.“ Also wurde gelöscht. Zuvor war Nuhr als Wissenschaftsleugner kritisiert worden, als unerträglich, unterirdisch… Mehr muss man gar nicht hinzufügen. Diese Löschung wiederum brachte die Kritiker auf den Plan und man sprach zu Recht von Zensur und dem Versuch, kritische Stimmen mundtot zu machen.

Nuhr an die Adresse der DFG: „Sie unterwirft sich den Krawallmachern, die im Internet systematisch an der Unterdrückung kritischer Stimmen arbeiten, die in der Mitte des politischen Spektrums stehen.“ Aber auch in zahlreichen Medien wurde die Entscheidung der DFG massiv kritisiert. Der Historiker Professor Andreas Rödder von der Universität Mainz sprach beispielsweise in der „Bild-Zeitung“ davon, dass Denk- und Frageverbote immer tiefer in die Wissenschaft vordringen würden und damit eine ernste Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit darstellten. Professor Dr. Werner Patzelt von der TU Dresden kritisierte in der „Jungen Freiheit“ die Selbstverzwergung eines Leuchtturms der Wissenschaft, nämlich der DFG. Komme ein Shitstorm, dann beuge man sich. Auch das sei schließlich Haltung, so Patzelt.

Kehrtwende

Dann doch die Kehrtwende. Die DFG-Präsidentin Katja Becker, die sich erst für das Löschen ausgesprochen hatte, ließ den Podcast wieder ins Netz einstellen. Gut so, aber…

Linker Meinungsterror

Der Vorfall selbst zeigt allerdings, dass die offene Debatte, die Basis aller Erkenntnis, selbst in der Wissenschaft nicht mehr selbstverständlich ist, so ein Kommentator in der „Welt am Sonntag“. „Unsere Freiheit, zu zweifeln, entstand aus einem Kampf gegen Autoritäten“, hat der große Physiker Richard Feynman einmal gesagt. Artikel 5 des Grundgesetzes ist bereits zitiert worden. Danach ist der Wissenschaftler nur der Verfassung und nur der Wahrheit verpflichtet. Er braucht auf niemanden Rücksicht zu nehmen, auf Religion, Politik oder was auch immer. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht leider anders aus.

In Hamburg verhinderten Studenten Vorlesungen des ehemaligen (!) AfD-Mitglieds Lucke über Volkswirtschaftslehre. In Göttingen, Berlin und anderen Städten wurden Buchlesungen prominenter Politiker gestört und verhindert. In Frankfurt forderten Studenten letztes Jahr die Entlassung der Ethnologin Professor Susanne Schröter, weil sie es gewagt hatte, eine Konferenz zum Thema Kopftuch zu organisieren, bei der auch islamkritische Stimmen zu Wort kommen sollten.

Die Toleranz der Linken denen gegenüber, die eine andere Auffassung vertreten, ist extrem niedrig. Und am gefährlichsten sind diejenigen, die glauben, dass sie im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit sind. Es sind die Bürger, die ihre Überzeugung absolut setzen und jede Verhandlung darüber, ob sie nicht vielleicht doch Unrecht haben könnten, als eine unerträgliche Zumutung empfinden. Wer heute die Entscheidungen zur Energiewende kritisch hinterfragt, ist sofort ein Klimaleugner. Wer Maßnahmen kritisch hinterfragt zum Thema Corona ist per se sofort ein Corona-Leugner. Wer das berechtigte Thema der schleichenden Islamisierung in Deutschland und Europa anspricht, ist sofort ein islamophober Typ, also jemand, der im Grunde genommen krank ist.

Marxistischer Dreisprung

Mit dieser Strategie sind linke Redakteure, Fernsehschaffende und politische Aktivisten bisher ganz gut gefahren. Viele Politiker trauen sich nicht aus der Deckung, weil sie sofort in eine politisch unliebsame Ecke gestellt, öffentlich gebrandmarkt werden. Und diese Taktik hat bisher auch dazu geführt, dass man die eigene Position inhaltlich gar nicht mehr begründen brauchte. Man fühlt sich an den alten klassischen Marxistischen Dreisprung erinnert: „diffamieren, isolieren, liquidieren“. Mit anderen Worten, man diffamiert jemanden als Person, stellt ihn in eine wie auch immer geartete „phobe“, also kranke Ecke, isoliert ihn damit automatisch und liquidiert ihn politisch, nicht mehr physisch, wie es zu Lenins Zeiten war.

Der Vorfall um Dieter Nuhr hat dies wieder einmal eindrucksvoll gezeigt. Im Übrigen ist die Stimmung an den deutschen Universitäten alles andere als frei und offen. Das fängt schon mit dem Gender-Unfug an, wenn Studenten, die sich weigern, Sternchen- oder Unterstrich-Formulierungen zu verwenden, mit Punktabzügen rechnen müssen, obwohl dies mit Inhalt verständlicherweise nichts zu tun hat, wenn Professoren von Studenten oder auch Universitätsleitungen unter Druck gesetzt werden, weil sie unliebsame Positionen vertreten, die mit dem Mainstream nicht immer deckungsgleich sind. Spätestens hier ist die Meinungsfreiheit in Gefahr.

Verbote, Druck zeigen nicht von intellektueller Größe, sondern sie sind Ausdruck von geistiger Schwäche. Wir haben in Deutschland und Europa prinzipiell und theoretisch den Vorteil freier Gesellschaften, die die Fähigkeit und Chance haben, gesellschaftliche Fehlentwicklungen benennen und benamen zu können, um sie dann gegebenenfalls zu korrigieren. Wenn diese Fähigkeit jedoch in ihrem Kern beschädigt wird, weil der Meinungsstreit in einen verbalen Vernichtungskampf ausartet, der auch mit Mitteln der persönlichen Diskreditierung ausgetragen wird, dann begehen wir das, was in der englischen Sprache mit „Character Assassination“ bezeichnet wird, mit moralischer Vernichtung und moralischer Ermordung. Das wiederum deckt sich dann mit dem Marxistischen Dreisprung. Wir haben es selbst in der Hand gegenzusteuern. Lassen wir uns nicht länger von einem linken medialen Mainstream bevormunden. Formulieren wir selbst unsere eigenen Überzeugungen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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