Bundesverfassungsgericht stellt Politik und BND vor große Herausforderung
Arbeitsfähigkeit des Auslandsnachrichtendienstes
muss gewährleistet bleiben
Der Bundesnachrichtendienst ist eine der wichtigsten Behörden für die Sicherheit unseres Landes. Ob es um Kenntnisse über Anschlagspläne von islamistischen Terrororganisationen geht, Entscheidungsfindungen im Kreml zum Einsatz russischen Militärs in Syrien oder Strukturen von Banden im Ausland, die Bundesbürger für Lösegelderpressungen entführen - für all das sammelt der Bundesnachrichtendienst Informationen und wertet diese aus. Als Ratgeber für außen- und sicherheitspolitische Entscheidungen der Bundesregierung oder für Hintergrundinformationen für Abgeordnete ist er unverzichtbar. Daher ist es dem Wetzlarer Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer (CDU) wichtig, die Bedeutung unseres Auslandsnachrichtendienstes in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken und dessen Arbeit nach Kräften zu unterstützen. Über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen bespricht sich MdB Irmer auch mit dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl.
Und es gibt aktuell genug zu besprechen: Ein Karlsruher Urteil vom 19. Mai 2020 hat für einige Diskussionen und Aufregung in der Sicherheitspolitik gesorgt. Bisher regelt das BND-Gesetz, wie und unter welchen Bedingungen mit technischen Hilfsmitteln Informationen im Ausland gewonnen werden dürfen - ein unabdingbares und selbstverständliches Instrument von Nachrichtendiensten und damit wichtig für die Sicherheit unseres Landes. Natürlich gibt es auch Grenzen und Kontrolle in Form des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages sowie durch die unabhängige sog. G-10-Kommission, die sich insbesondere mit Maßnahmen in dem Bereich Brief-, Post- und Fernmelde(sprich Digital/Internet)geheimnis befasst. Diese Kontrolle hat bislang gut funktioniert und wir bekommen in Fachkreisen international große Anerkennung dafür.
Doch den Karlsruher Richtern reicht das nicht. In ihrem Urteil schreiben sie fest, dass „der Schutz des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Abwehrrechte gegenüber einer Telekommunikationsüberwachung sich auch auf Ausländer im Ausland [erstreckt].“ Vereinfacht gesagt: Auch ein Osama bin Laden im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan wäre in den Genuss von Grundrechten unserer Verfassung gekommen und der Versuch eines Anzapfens seiner Kommunikation mit seinen IS-Terroristen nicht einfach so rechtlich hinzunehmen gewesen. Der BND hätte vorher den Anlass und die Verhältnismäßigkeit nachweisen müssen - ein bloßes „Fischen“ in der Kommunikation hält Karlsruhe mit diesem Urteil nicht für statthaft.
Stattdessen fordert das Bundesverfassungsgericht die Schaffung eines eigenständigen und unabhängigen deutschen Quasi-Gerichtshofes, der die Rechte von Ausländern im Ausland vor Grundrechtseingriffen durch den deutschen Staat schützt. Sollte dies bis 2021 nicht umgesetzt sein, erlischt die Rechtsgrundlage, auf der der BND in diesem Bereich seine nachrichtendienstlichen Hausaufgaben macht.
Irmer dazu: „Eine juristische Bewertung des Urteils steht mir nicht zu, ich halte es aber für politisch höchst bedenklich. Die derartige Ausweitung des Grundrechtsschutzes halte ich nicht nur für ‘anmaßend’, sondern auch in der gelebten Praxis der Nachrichtengewinnung für weltfremd. Ich kenne kein Land, das das so handhabt. Warum auch? Wir müssen aufpassen, dass der BND am Ende noch seine Arbeit machen kann. Grundrechtsschutz für Ausländer im Ausland mag für manche Juristen eine spannende Debatte und en vogue sein. Sie dürfen dabei aber nicht die Sicherheit unserer eigenen Bürger aufs Spiel setzen. Hier müssen wir höllisch aufpassen, dass andere Parteien das Urteil nicht für ihre linke Gesinnung instrumentalisieren und eine effektive Nachrichtengewinnung unmöglich machen. Auch der Verfassungsschutz wird ja von linker Seite massiv angegangen.“
MdB Irmer ist sich mit BND-Präsident Kahl einig, dass möglichst bis Ende des Jahres das Urteil Karlsruhes gesetzgeberisch umgesetzt werden müsse, um nicht Ende 2021 ohne Rechtsgrundlage für wichtige Instrumente der Auslandsaufklärung dazustehen. Irmer: „Mir ist wichtig, dass wir mit einer Novellierung des BND-Gesetzes das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Vor lauter Datenschutz und Rechtsschutz dürfen wir die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden nicht unmöglich machen. Ich werde mich für ein praxistaugliches und möglichst schlankes Gesetz einsetzen. Ich stehe da klar an der Seite der Mitarbeiter des BND und werde auf allen Ebenen dafür trommeln, dass sie die Ressourcen und Rechtsgrundlagen bekommen, die sie brauchen, um für unsere Sicherheit zu sorgen. Gerade das politisch linke Spektrum ist hier sehr ambivalent unterwegs. Sei es bei den Linken, Grünen oder gar der Vorsitzenden der SPD, Saskia Esken: Sie misstrauen unseren Sicherheitsbehörden und stellen sie unter Generalverdacht. Wo sie nur können, beschneiden sie ihre Instrumente und Fähigkeiten. Die Unionsfraktion wird natürlich dagegenhalten! Ich kann nur jedem Bürger empfehlen, sich bei der nächsten Wahl genau zu überlegen, wem er die Sicherheit unseres Landes anvertraut.“
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Herausgeber Wetzlar Kurier