Angriff auf die Pressefreiheit

Anonyme Drohschreiben gegen Wetzlar-Kurier-Kunden

Im Dezember letzten Jahres hatte der Wahlkreismitarbeiter des Abgeordneten der Linksfraktion im Hessischen Landtag, Hermann Schaus (Linke), eine Reihe von Kunden des Wetzlar-Kurier angeschrieben und sie aufgefordert, nicht mehr im Wetzlar-Kurier zu inserieren, weil dieser u.a. islamophobe Äußerungen zum Beispiel des Bundestagsabgeordneten Irmer wiedergebe. Man behalte sich vor, an die Öffentlichkeit zu gehen, so der Mitarbeiter, um darauf aufmerksam zu machen, dass Anzeigenkunden wie die Firma A oder B diese Zeitung überhaupt erst möglich machen würden. Der „Freund der Pressefreiheit“ bekam daraufhin Ärger, denn einige Kunden fassten dieses Schreiben als Nötigung auf und schrieben den Abgeordneten Schaus an. Der Wahlkreismitarbeiter des Abgeordneten Schaus ruderte daraufhin zurück und erklärte, dass das Schreiben an die Anzeigenkunden nicht von der Landtagsfraktion oder dem Landtagsabgeordneten Schaus entstamme, sondern von ihm als Privatperson verfasst worden sei. Im Übrigen wolle er den genannten Unternehmen nicht schaden oder drohen. Damit war das Thema (zumindest nach außen) erledigt.

Aus der linken Ecke?

Im Juli dieses Jahres machte sich „ein aufmerksamer Bürger und potenzieller Kunde“, so die Unterschrift, viel Arbeit. Er schrieb die Anzeigenkunden der Juli-Ausgabe an und forderte sie auf, künftig keine Anzeigen mehr im Wetzlar-Kurier zu schalten. Er als Kunde behalte es sich vor, das Unternehmen künftig zu meiden, sollten weiterhin Inserate im Kurier erscheinen. Kritikpunkt des Anonymus war, dass im Kurier muslimische oder migrantische Personen diskreditiert würden und dass der Kurier nicht für eine sachliche Informationsvermittlung stehe.

Intellektuell überschaubar

Die Schreibleistung, die Art der Argumentation und die Tatsache, dass auch Kunden angeschrieben wurden, deren Produkte im Lahn-Dill-Kreis von Privatpersonen gar nicht gekauft werden können, beispielsweise aus der Stahlbranche, nähren den Verdacht, dass die intellektuelle Kapazität des Anonymous doch sehr überschaubar ist.

Presse- und Meinungsfreiheit bedroht

„Niemand“, so Wetzlar-Kurier-Herausgeber Hans-Jürgen Irmer, „muss meine Auffassung teilen. Ich nehme in einer Demokratie für mich allerdings das Recht in Anspruch, meine Meinung so zu formulieren, wie ich sie für richtig halte.“ Es gebe Menschen, die dies inhaltlich genauso sehen, das sei ein Großteil der Bevölkerung, und es gebe Menschen, die seine Positionen teilweise fast schon militant ablehnten, so Irmer. Auch das sei in Ordnung, denn es gehöre zum Wesen der Demokratie und der Meinungsfreiheit, dass man unterschiedliche Auffassungen vertreten dürfe.

Wenn heutzutage von vermutlich linksextremer Seite der Versuch unternommen werde, das Erscheinen einer Zeitung zu verhindern, indem man dazu auffordere, Anzeigenkunden zu boykottieren, dann erinnere das fatal an die Zeiten des Dritten Reiches, wo es hieß „Kauft nicht bei Juden“. Dies sei völlig inakzeptabel, und deshalb danke er sehr bewusst den vielen Kunden, die seit teilweise über 30 Jahren dem Kurier die Treue halten würden. Er danke ihnen auch dafür, dass viele angerufen und erklärt hätten: „Jetzt erst recht. Das lassen wir uns nicht bieten. Wo kommen wir denn hin, wenn der Versuch unternommen wird, Meinungsfreiheit zu beschränken, eine freie Presse zu unterbinden.“

90 Prozent der Presseerklärungen von der WNZ nicht veröffentlicht

Wie wichtig eine unabhängige Zeitung sei, könne man aus Sicht der CDU beispielsweise daran erkennen, dass etwa 90 Prozent sämtlicher Presseerklärungen der CDU-Kreistagsfraktion, der CDU-Landtagsabgeordneten oder auch des CDU-Bundestagsabgeordneten von der Wetzlarer Neuen Zeitung nicht veröffentlicht werden.

Dramatisch sinkende Auflage der WNZ

Wenn man darüber hinaus bedenke, dass die Wetzlarer Neue Zeitung im Altkreis Wetzlar nur noch ca. 19.400 Auflage habe und im alten Dillkreis ca. 12.000, dann werde angesichts der monatlichen Auflage des Wetzlar-Kurier in Höhe von 125.000 Exemplaren deutlich, dass viele Menschen über lokale Politik via WNZ nicht mehr informiert werden können, weil keine Tageszeitung mehr dort gelesen wird. Das heißt, die flächendeckende Information erfolgt über den Kurier.

Warum die Auflage der WNZ, die vor 15 Jahren noch bei ca. 85.000 Exemplaren lag, so gesunken ist, wäre eines eigenen Aufsatzes wert. Es ist aber eine dramatische Entwicklung, die die Zeitungsbranche unterschiedlich intensiv, aber flächendeckend getroffen hat.

Freiheit sieht anders aus

Es passt in das Konzept bestimmter politischer Kreise, alles daranzusetzen, möglichst konservatives Gedankengut auch in schriftlicher Form zu diskreditieren, zu diffamieren, am liebsten zu verbieten. Mit Pressefreiheit und Meinungsfreiheit hat dies nichts mehr zu tun. Es ist gut, dass es in Deutschland noch einige wenige konservative Zeitungen gibt. Es ist gut, dass es auch sehr linke Zeitungen gibt, so dass der Leser in letzter Konsequenz für sich entscheiden kann, was er lesen will und welche Argumente für ihn passend sind. Entscheidend aber ist, dass es die Angebotsbreite gibt. Deshalb ist der Versuch des „Anonymus“ ein Anschlag auf die Pressefreiheit.

Der französische Philosoph Voltaire hat einmal gesagt: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass du es sagen darfst.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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