Erfreuliches Urteil
Bundesverfassungsgericht setzt EZB und EuGH Grenzen
Mit Beschluss vom 4.3.2015 führte die Europäische Zentralbank ihr Staatsanleihe-Kaufprogramm (PSPP) ein. Ziel der gigantischen Geldvermehrung war es, die Inflationsrate auf ca. 2 Prozent anzuheben, den Rückgang der Realzinsen und die Stärkung der Kreditvergabe des Geschäftsbankensektors zu erreichen. Dieses Programm, verantwortet von Mario Draghi (Italien), führte dazu, dass Staatsanleihen in Höhe von 2292 Milliarden Euro (2,29 Billionen) aufgekauft wurden, ohne dass de facto ein realer Gegenwert zu verzeichnen wäre.
Risikoanleihen ohne Ende
Gegen dieses PSPP-Programm klagten unter anderem der ehemalige CSU-Vize Peter Gauweiler und der Enkel von Konrad Adenauer, Patrick Adenauer. In Kurzform dargestellt sahen die Kläger darin eine durch den EU-Vertrag nicht gedeckte Kompetenzanmaßung zu Lasten der Mitgliedsstaaten, indem die EZB ihr geldpolitisches Mandat überschreitet. Das Bundesverfassungsgericht hegte ebenfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anleiheverkäufe und legte daraufhin dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im August 2017 einen Fragekatalog vor. Der EuGH sah im Dezember 2018 jedoch keinen Verstoß durch den Anleihehandel gegen das Unionsrecht.
Bei einer Anhörung im Sommer 2019 hatte seinerzeit das Bundesverfassungsgericht schon kritisch angemerkt, dass die Folgen der Niedrigzinspolitik für die Altersvorsorge, oder aber auch für Sparer, weitreichend seien, so dass das Gebot der Verhältnismäßigkeit in Frage stehe. Hinzu komme, dass die EZB ihre Aufgaben überschreite, indem sie die Refinanzierungsbedingungen für einige Mitgliedsstaaten verbessere. Im politischen Berlin wusste jeder, dass die Anleiheaufkaufprogramme im Prinzip den südeuropäischen Staaten nutzten, wie Italien Frankreich, Spanien, die hoch verschuldet sind. Die Finanzierungsbedingungen müssten im Normalfall allerdings gleichmäßig auf alle Staaten verteilt sein, so dass für alle gleichermaßen Vor- oder Nachteile entstehen.
Wie Prof. Dr. Meyer von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg erläuterte, sei genau dies nicht der Fall, denn es seien übermäßig viele Staatsanleihen von den Notenbanken Italiens 10,2 Prozent, Spaniens 8,1 Prozent und Frankreichs 5,2 Prozent erworben worden, während von den Niederlanden -8,1 Prozent und Deutschland -3,6 Prozent zu wenige angekauft wurden. Dies sei, so Meyer, ein klares ökonomisches Indiz dafür, dass eine nicht durch den währungspolitischen Auftrag der EZB gedeckte Stützung der Krisenstaaten vorliegt.
Verfassungsrichter Huber: „Willkürliche EuGH-Entscheidung“
Auf das Urteil angesprochen hat Verfassungsrichter Peter M. Huber aktuell noch einmal nachgelegt, indem er erklärte, dass das Verfassungsrecht eines Landes so lange gelte, so lange man nicht in einem europäischen Staat lebe. Es gebe einen Staatenbund, einen gemeinsamen Rahmen, aber es gebe keinen Bundesstaat auf europäischer Ebene, dem sich alles unterzuordnen hätten. Deshalb sei das Urteil des EuGH „ultra vires“ also außerhalb der Kompetenz des EuGH.
Der Versuch, den schrankenlosen Vorrang des EU-Unionsrechtes durchzusetzen, ist mit der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes und auch vielen anderen Länderverfassungen nicht vereinbar. Huber fügte hinzu, dass Deutschland und die meisten anderen Mitgliedsstaaten der EU gar nicht hätten beitreten dürfen, wenn es den von der EuGH angenommenen schrankenlosen Anwendungsvorrang des Europarechts vor dem Grundgesetz gebe.
Merz unterstützt Bundesverfassungsgericht
Wenn die EU-Kommission erkläre, dass europäisches Recht immer Vorrang vor nationalem Recht habe, so sei dies, so der Unionspolitiker Friedrich Merz, einfach unzutreffend. So lange die Mitgliedsstaaten die wesentlichen Träger des europäischen Staatenverbundes seien, hätten die nationalen Verfassungsgerichte das Recht und zugleich die Pflicht, die EU-Handlungen immer an den Maßstäben des nationalen Verfassungsrechtes zu überprüfen.
Irmer: Urteil mit Signalwirkung
Er begrüße ausdrücklich, so der heimische Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer, dieses Urteil, da es ein Signal an die Adresse derjenigen sende, die für eine grenzenlose Staatsverschuldung, für Eurobonds, für eine europäische Arbeitslosenversicherung zu Lasten der deutschen Arbeitnehmer seien und die am liebsten nationales Recht aufgeben würden. Grüne, SPD und die Linkspartei hätten sich häufig genug für eine Vergemeinschaftung der europäischen Schulden ebenso ausgesprochen wie für eine europäische Arbeitslosenversicherung oder jetzt aktuell für Eurobonds.
Solidarität mit Europa sei wichtig und richtig. Auch Deutschland wolle und müsse helfen. Das Ganze aber in verantwortbaren Bahnen, mit klaren Ansagen und Rahmenbedingungen und Auflagen sowie Rückzahlungsbedingungen. Alles andere tauge nichts und schade Deutschland.