Gastgewerbe und Hotellerie zwischen Hoffnung und Angst

Branchentreffen auf dem Gleiberg in Zeiten von Corona

"Wir müssen uns an die Regeln halten" -
Weitere Lockerungen verbessern die Lage

Die Lage ist verworren und verzwickt, in einer nicht unbedeutenden Größenordnung auch schon fast verzweifelt. Es geht um die Restaurant- und Hotelbranche in allen ihren Spielarten und Verästelungen und Spezialisierungen. Unter Letzteres fallen vor allem die Caterer. Wer nur in diesem einen Metier tätig ist, ist besonders schlimm betroffen in einer Branche, die es insgesamt hart erwischt hat. Mit Betrieben, die nicht selten ihre Aktivitäten von Hundert auf Null zurückfahren mussten. Umständehalber. Und das schon seit Mitte März. Diese Umstände, die so nicht sehr lange durchzuhalten sind, werden bestimmt von den Folgen der Corona-Krise, die sich in bislang nicht gekannten Einschränkungen, Vorschriften und Verboten manifestiert, wie sie das Land nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht gesehen und erlebt hat.

Neue Ideen sind gefragt

Unter diesen Vorzeichen trafen sich über 50 Gastronomen und Hoteliers aus vier benachbarten mittelhessischen Landkreisen auf Burg Gleiberg, um die Lage und mögliche wie notwendige Veränderungsvarianten und -vorschläge zu diskutieren. Das erwies sich angesichts der komplexen Situation als vorhersehbar schwierig, war aber dringend notwendig, wie Axel Horn, Chef der Gastronomie auf Burg Gleiberg, betonte. Horn hatte die Initiative zu diesem Branchentreffen ergriffen. Nicht in der Annahme, Lösungen parat zu haben oder von den Kolleginnen und Kollegen präsentiert zu bekommen. Wohl aber in dem Bemühen, die Kollegenschaft enger zusammenzuschweißen. Wissend, dass jeder und jede Einzelne gefordert ist, im eigenen Bereich Möglichkeiten zu kreieren und neue Ideen zu entwickeln, um individuell für den jeweiligen Betrieb das Beste und Optimale herauszuholen, "Nischen" aufzutun und Schritte zu gehen, die bislang nicht erforderlich waren.

Erleichterungen begrüßt

Begrüßt wurde die große, sich natürlich aber an den Abstandsregeln haltende Runde von Wettenbergs Ehrenbürgermeister Gerhard Schmidt in dessen Eigenschaft als 2. Vorsitzender des Gleibergvereins und damit Hausherr der Burg. Aus guten und aktuellen Gründen ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt hatten der Präsident sowie der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Hessen, die zeitgleich in Wiesbaden mit der Landesregierung Gespräche zur Corona-Lage und Schritte zur Lockerung der Restriktionen führten. Und dies offenbar nicht ohne Erfolg, denn noch während des Gleiberger Treffens sorgte die Nachricht des DEHOGA -Verbandes Hessen für Aufmerksamkeit und spürbare Erleichterung, dass die Fünf-Quadratmeter-Regelung pro Gast aufgehoben worden sei. "Das hilft uns schon weiter", so der positive Tenor in der Runde.

Rückfälle vermeiden

Es war vor allem der wortgewaltige Hubertus Schultz, Chef des Schlosshotels Gedern, der eindringlich an die Kolleginnen und Kollegen appellierte, sich strikt an die derzeit geltenden "Spielregeln" zu halten. Dabei müsse außen vor bleiben, ob diese Regeln jedem Einzelnen gefallen oder auch nicht, ob er sie für richtig oder falsch hält. Es gelte, Rückfälle wie jenen vor einigen Tagen im norddeutschen Leer unbedingt zu verhindern, deren negative Auswirkungen die ganze Branche, auch in Mittelhessen, träfen. "Es ist unsere Pflicht, uns zu disziplinieren", so Schultz.

"Ein ganzer Berufsstand leidet darunter, wenn Regeln in Einzelfällen nicht eigehalten werden" ergänzte Markus Strasser vom "Dutenhofener See". Deshalb müsse man aufpassen. "Was glaubt ihr, was passiert, wenn wir leichtsinnig sind?", fragte Strasser in die Runde, wissend, dass jeder die Antwort kennt. "Der Virus ist kein Kinderspiel, der Virus ist nicht lustig", machte er deutlich und gab dann preis, woher er seine Erkenntnisse hat: "Ich hatte diesen Virus!"

Ein Teil der Betriebe wird nicht überleben

Die wirtschaftliche Lage der Branche ist ernst, sehr ernst, das wurde allenthalben deutlich. "30 Prozent der Kollegen werden infolge der Krise auf der Strecke bleiben", lautete die "konservativ gerechnete" Schätzung eines Teilnehmers, der nicht widersprochen wurde. Und bei nahezu allen ist mehr oder weniger unklar, wie es im nächsten Jahr weitergehen kann. Bei allem Verständnis für die von Politik und Gesundheitsbehörden verhängten Maßnahmen werde es so sein, dass viele Kollegen und Betriebe "nicht über den Berg" kommen werden, zumal die Einschränkungen, in welcher Form auch immer, das ganze Jahr über andauern werden. Sprich: "Für die meisten Gastronomen ist das Jahr gelaufen".

Klar war sich die Runde: Ohne Hilfe von außen, von Land und Bund, gehe es nicht: "Sonst haben wir keine Perspektive." Die Hilfe sollte aber nicht nur finanzieller Art sein. Nachdem die "Erste Hilfe" überraschend unbürokratisch geleistet worden sei, kehre nun aber die Bürokratie zurück. "Klare Aus- und Ansagen" aber seien wichtig, um für mehr Planungssicherheit zu sorgen. "Wir wollen arbeiten, viele Gäste wollen auch zu uns - und wir dürfen nicht", lautet eine Klage.

Kunden haben Verständnis

Einem Großteil der Restaurantkunden sprechen die Gastronomen ein gutes Zeugnis aus. Die überwiegende Mehrheit zeige Verständnis für die mannigfachen Einschränkungen und verstehen die klaren Regeln, die die Wirte umzusetzen haben. Es seien aber auch "Feierabend-Sheriffs" unterwegs, die für Unbill sorgten. "Auch deshalb müssen wir unser Bestes geben." Und das bei zehn bis 15 Prozent jener Umsätze, die die Branche ansonsten in einem Mai-Monat erziele. Die Kosten sind allenthalben höher als die Einnahmen, von Gewinnen könne derzeit ohnehin nur geträumt werden.

Durchhalten - und sich an die Vorgaben halten - heißt die Parole. Denn eines ist nach den Einlassungen der Regierung - namentlich der Bundeskanzlerin und ihres Kanzleramtsministers Helge Braun - für die heimischen Gastronomen und Hoteliers klar. Solange es keinen wirksamen Impfstoff gegen diesen Corona-Virus gibt, wird es keine endgültigen Lockerungen geben. "Das ist eine klare Ansage." Und eine weitere Feststellung lautet: Die Leute, zumindest sehr viele, haben Angst auszugehen.

Nicht systemrelevant - aber wichtig

Fazit des Gleiberger Treffens: die Lage von Gastronomie und Hotellerie ist und bleibt schwierig. "Wir sind nicht systemrelevant, aber doch wichtig - aber wir haben keine Lobby." Und: "Wir wollen den Berufsstand weiterführen - man muss uns aber auch lassen." Deshalb müsse man zusammenstehen, selbstbewusster werden und "Zeichen" setzen: Wir sind nicht ganz so klein, wie wir manchmal glauben." Mit einer Petition, die über den DEHOGA-Verband an die Entscheider weitergeleitet werden soll, will sich die Branche - "In großen Fragen müssen wir gemeinsam handeln" - melden und positionieren. Das jedoch im Wissen, dass es ohne Zuschusse und ohne weniger Bürokratie nicht gehen werde.

"Die Zeit ist aktuell bitter und tut allen weh", stellte Andreas Vogel (Braunfels) fest. Nichtsdestotrotz sein die Gastronomie in allen ihren Facetten "Lebens- und Freizeitkultur". Auch wenn man sich derzeit umständehalber "kleinmachen muss, wo man kann", ist für den Optimisten Vogel klar: "Wir schaffen das." Und schob den Wunsch nach, dass das allen gelingen möge.

Über den Autor

Franz Ewert

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