Reportage der „Welt am Sonntag“:

So funktioniert „Seenotrettung“
NGOs betreiben das Geschäft der Schleuser

Es ist der Zeitung „Welt am Sonntag“ (WamS) zu verdanken, dass die Hintergründe des Schleusertums nun auch für die breite Öffentlichkeit aufgedeckt werden konnten. Der Grenzschutzagentur Frontex, der Polizeibehörde Europol und dem Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration (GASIM) waren die Fakten schon vorher bekannt.

Was war passiert? Ein Reporter der „WamS“ gab sich bei einem Schleuser als „Kunde“ aus und informierte sich zu einer Überfahrt. Schleuser Alhaji erklärte denn auch, wie wann geschleust wird. Er habe ein Taxi, das aus Medenine zur libyschen Grenze fahre. Von dort aus seien es nur noch 15 Meilen bis Zubarah. Die Überfahrt sei sicher. Es gebe ja die freiwilligen Helfer und ihre Boote, also die NGOs.

Auf einer App sehen die Schleuser die Position der Boote in Echtzeit. Außerdem verfügen die NGO-Schiffe in der Nacht über helle Scheinwerfer, so dass sie von der libyschen Küste aus zu erkennen sind und damit als Leitstrahle für Migranten fungieren. Es gibt Beweise dafür, dass Schleuser via Satellitentelefon im Kontakt mit sogenannten Rettungsschiffen gewesen seien, die erklärt haben, dass man mit dem Schlauchboot Richtung Lichter fahren müsse, um gerettet zu werden, wie zum Beispiel in der Nacht vom 17. auf den 18. Februar.

Die Ocean Viking liegt östlich der tunesischen Hafenstadt Mahdia. Sie nimmt Kurs auf die libysche Küste. Das Gleiche macht die Sea Watch 3 der Nichtregierungsorganisation (NGO) „Ärzte ohne Grenzen“. Wenige Stunden später hat Alhaji Vollzug gemeldet. Man habe 80 Menschen aufs Meer gebracht. Sie wurden von der Ocean Viking gerettet, und in der Tat meldet „Ärzte ohne Grenzen“ an diesem Tag die Rettung von 84 Menschen aus einem „gefährlich überladenen Holzboot“.

Mit anderen Worten, die Schleuser und ihre Helfer wissen genau, wo die NGO-Boote sind, schicken ihre mittelmeeruntauglichen Boote in der Regel mit 40 bis 80 Personen, häufig mehr, gefüllt aufs Meer, mit Benzin ausgestattet, dass sie die 12-Seemeilen-Zone, innerhalb deren Rahmen sich die NGOs nicht bewegen dürfen, verlassen können. Die NGO-Schiffe dienen als Leuchttürme mit entsprechender Beleuchtung in der Nacht. Ihre Position ist bekannt. Kaum haben die Schleuserboote die 12-Seemeilen-Grenze verlassen, werden diese sogenannten Rettungsschiffe informiert, und sie vollenden das Werk der Schleuser, die ihre Schmuggelpreise reduzieren konnten, da sie nur noch einen Teiltransport anbieten müssen. Trotzdem kostet die Schleusung pro Person je nach Beladung immer noch zwischen 1300 und 2200 Euro. Ein gutes Geschäft für die Schleuser. Dieses kleine Schleuserboot bringt mindestens 50.000 Euro.

Ohne NGOs keine Schleusung mehr

Mit anderen Worten, die Schleuser betreiben de facto das Geschäft der Schleuser. Sie vollenden das, wofür Menschen den Kriminellen viel Geld gezahlt haben, um das ersehnte Ziel Europa zu erreichen.

Erkenntnisse von Europol und Frontex bestätigt

Mit diesem Erfahrungsbericht der „Welt am Sonntag“ wird einmal mehr das bestätigt, was die genannten Grenzschutzagenturen schon vor geraumer Zeit festgestellt haben. Wir zitieren aus den der „Welt am Sonntag“ vorliegenden Akten:

Die Nähe der Rettungsschiffe bewirke, „dass die Schleuser auch bei schlechtem Wetter Abfahrten organisierten bzw. seeuntaugliche Boote nutzten und die Migranten nur noch mit der nötigen Menge an Benzin ausstatteten, um die libyschen Hoheitsgewässer verlassen zu können“.

Schleuser benutzten „Schiffstracker“, um „Schiffspositionen abzufragen und Migranten auf die Anwesenheit von Schiffen der NGOs und vermutlich auch auf die kurze Distanz zu diesen hinzuweisen“.

Weil Retter Libyen so nahekämen, „zwingen Schlepper Migranten, seeuntaugliche Boote zu betreten mit der Behauptung, sie würden bereits kurz nach der Abfahrt gerettet werden“.

Alle interviewten Migranten erklärten im Übrigen, „dass sie die zentrale Mittelmeerroute gewählt haben, weil es hier Zugang zu Hilfsangeboten gibt“. Mit anderen Worten, gäbe es diese Beihilfe (NGO-Seenotrettungsschiffe) nicht, würde es diesen Pull-Faktor, also Anziehungsfaktor, nicht geben.

Bundesregierung warnt NGO Sea-Eye e.V.

Vor wenigen Tagen hat das Bundesinnenministerium aufgrund eines Hinweises der italienischen Regierung das unter deutscher Flagge fahrende Schiff „Alan Kurdi“ davor gewarnt, die sogenannten Rettungsaktivitäten im zentralen Mittelmeer aktuell wieder aufzunehmen. Italien habe darauf hingewiesen, dass wegen der Corona-Pandemie keine Ausschiffung, Aufnahme und Versorgung von sogenannten Flüchtlingen durch private Schiffe erfolgen werde. Der „Alan Kurdi“ werde weder das Anlanden in einem italienischen Hafen noch die Einfahrt in italienische Territorial-Gewässer gestattet werden. Das Gleiche hat im Übrigen die maltesische Regierung mitgeteilt.

Daher ergehe der Appell, so das Bundesinnenministerium an die Verantwortlichen von Sea-Eye, keine Fahrten aufzunehmen und bereits in See gegangene Schiffe zurückzurufen.

„Aus meiner Sicht“, so der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer, „ist zweifelhaft, ob sich die angesprochenen NGO`s daran halten werden. Deshalb muss auch klar sein, welche Sanktionen wir auferlegen, wenn der Appell missachtet wird.“

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Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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