Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Schröter fordert die Politik in Deutschland zum Nach- und Umdenken auf:

„Dem politischen Islam nicht auf den Leim gehen“

„Der politische Islam ist eine Herrschaftsordnung, die einen fundamentalen Gegenentwurf zu Demokratie, Pluralismus und individuellen Freiheitsrechten darstellt“, machte Prof. Dr. Susanne Schröter von der Uni Frankfurt als Ergebnis ihrer langjährigen Forschungen deutlich. Die Vertreter des politischen Islam strebten die Umgestaltung von Staat und Gesellschaft - und letztlich auch ihrer Gesetze - anhand islamischer Normen an. Auch in Deutschland agierten sie „machtbewusst“, erzeugten dabei eine Vielzahl von Konflikten „und setzen unsere Gesellschaft zunehmend einem Stresstest aus“.

Organisierte und unorganisierte Muslime

Der „politische Islam“ ist laut Schröter eine von zahlreichen „Spielarten“ des Islam. Er geht zurück auf die Gründung der „Muslim-Bruderschaft“ im Jahre 1928, nachdem ein Jahrzehnt zuvor als Folge des 1. Weltkrieges das Osmanische Reich als bislang letztes islamisches Großreich untergegangen war. Die Muslime in Deutschland - mittlerweile in der Summe etwa sieben Millionen - unterscheidet die Wissenschaftlerin in unorganisierte und organisierte Muslime. Zu ersteren zählt sie Säkularisten, Traditionalisten und Fundamentalisten. Organisierte Muslime bilden den politischen Islam. Das sind Vertreter von Dachverbänden, Vertreter kleinerer Organisationen und vor allem Salafisten. Darüber hinaus gibt es organisierte liberale und/oder säkulare Muslime, deren öffentlicher Einfluss und Wahrnehmung jedoch nicht ansatzweise an den der legalistischen islamischen Organisationen wie DiTIB, Milli Görüs oder den Zentralrat der Muslime heranreicht.

Thematik oder Problematik des politischen Islam beleuchtete die Frankfurter Wissenschaftlerin auf Einladung der CDU Lahn-Dill und begrüßt von deren Vorsitzenden Hans-Jürgen Irmer vor 50 interessierten Zuhörern in Herborn. Dabei ging sie auf Ursprünge, Escheinungsformen, Organisationen und Akteure dieser politisch-religiösen Ideologie ein. Es waren die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen schwerpunktmäßig in Indonesien, dem größten islamischen Land der Welt, die den Ausschlag für die Gründung des „Forschungszentrums politischer Islam“ an der Uni Frankfurt gaben, das Prof. Dr. Susanne Schröter bis heute leitet.

„Verbandsmuslime“ mit klaren Zielen

Sie habe erlebt, wie sich der moderate Islam in Indonesien „unter dem Einfluss von Akteuren aus den Golfstaaten in Windeseile zu einem totalitären, antidemokratischen Islam entwickelt hat“. Ähnliches sei beispielsweise in Thailand und auf den Philippinen der Fall. Diese Strömung des politischen Islam sei weltweit aktiv, gerade auch in Deutschland. „Parteiübergreifend haben in Deutschland die allerwenigsten Politiker eine Ahnung davon, welche Ziele 'Verbandsmuslime' wirklich verfolgen“, so Schröter, die „die Politik“ auffordert, sich endlich mit Inhalten und Problematik zu befassen. Mit einem Verweis auf Frankreich wollte Schröter aufrütteln: „In 150 Territorien des Landes hat der französische Staat nichts mehr zu sagen - dort herrschen die Salafisten.“ Übrigens sei die Anzahl der Salafisten in Deutschland - auch der gewaltbereiten - nie so hoch gewesen wie derzeit. Dies Tatsache falle jedoch angesichts der momentanen Debatte um den Rechtsextremismus „leider hinten herunter“.

DiTIB - Milli Görüs - Zentralrat

So sei hierzulande die DiTIB - Gesprächspartner mit der deutschen Politik auf nahezu allen Ebenen - nichts anderes als der verlängerte Arm der türkischen Religionsbehörde. Die DiTIB in Deutschland fälle nicht eine einzige Entscheidung, „die nicht in Ankara abgesegnet wurde“. Dass in DiTIB-Moscheen „Kriegspropaganda und Spitzeleien“ an der Tagesordnung seien und vor „zu viel Integration“ gewarnt werde, sei bekannt, werde aber offenbar hingenommen.

Die Organisation Milli Görüs, zu Deutsch „nationale Sicht“, verfolge das Ziel, „den politischen Islam überall zu implementieren“, dabei dem Motto des 2011 verstorbenen islamistischen türkischen Politikers und Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan folgend: „Demokratie ist der Zug, auf den wir aufspringen, bis wir am Ziel sind.“ Von DiTIB, Milli Görüs und dem Zentralrat der Muslime gehe Druck aus, der sich mittlerweile bis in die Schulen auswirke: Mobbing gegen nicht-muslimische Kinder, vor allem aber auch gegen muslimische Mädchen ohne Kopftuch.

Wenn die Politik, speziell die deutsche, dem politischen Islam „nicht auf den Leim gehen“ wolle, sei es an der Zeit zu überlegen, mit wem geredet werde müsse. Dabei bestehe leider das Problem, dass der säkulare Islam nicht organisiert sei. Der politische Islam aber sehr wohl. Den von Islamisten und „vielen Linken“ verwendete Begriff eines „antimuslimischen Rassismus“ hält die Islamwissenschaftlerin für sehr problematisch, wende er sich doch dezidiert gegen Kritiker des Islam. Bei allen notwendigen Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus müsse die Politik sensibler auch in andere Richtungen werden. Es gehe nicht an, dass Kritik am Islamismus stigmatisiert und folglich verboten werden müsse.

Aufklärungsarbeit notwendig

Dass es bislang in Deutschland keine muslimische oder gar islamistische Partei gebe, verwundert die Wissenschaftlerin nicht. Seine Ziele verfolge der politische Islam auf anderen Wegen, zum Beispiel auch durch die „Unterwanderung der Parteien“. Der Aufruf der politisch aktiven Islam- oder islamistischen Verbände und Organisationen, Mitglied in den Parteien - und zwar in allen - zu werden, um dort das islamistische Gedankengut einzubringen, werde befolgt. „Und das funktioniert auch“, so Schröter. Und auch den „Kampf gegen Rechts und Rassismus“, der gerade ausdefiniert werde, nutzten Teile der politischen Linken im Schulterschluss mit Islamisten, um eine „neue Welt“ in ihrem Sinne zu schaffen. Allerdings sind laut Schröter die islamistischen Verbände selbst in hohem Maße rassistisch und undemokratisch: „Sie erkennen und dulden in ihren Reihen keine Andersdenkenden und gehen selbst gegen ihre eigenen Minderheiten vor.“

In der deutschen Islam-Politik sei noch viel Aufklärungsarbeit vonnöten, machte Schröter deutlich. „Die Politik kungelt noch immer mit den Islam-Verbänden“, bedauert Schröter und beklagt zudem die Blauäugigkeit, Gutgläubigkeit oder gar Blindheit weiter Teile der Politikerkaste und auch der Kirchen gegenüber dem politischen Islam. Nur so sei auch zu erklären, dass Bundespräsident Steinmeier den Mullahs im Iran zu ihrem Revolutionsjubiläum gratuliert habe. Dies allerdings sicher nicht im Namen aller Deutschen.

Sie danke dabei ausdrücklich der CDU Lahn-Dill für ihren politischen Mut, eine solche Veranstaltung anzubieten, und sie danke dem Kreisvorsitzenden Hans-Jürgen Irmer, MdB, der seit Jahren mit sehr viel Sachkenntnis das Thema Islam bearbeite. Dies wünsche sie sich von mehr Politikern.

Über den Autor

Frank Steinraths
Frank Steinraths
Landtagsabgeordneter CDU Lahn-Dill

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