Vortrag bei Pro Polizei Wetzlar

Passfälscher zwischen Kreativität und Dummheit

Zum traditionellen Heringsessen von Pro Polizei Wetzlar konnte Vorsitzender Hans-Jürgen Irmer rund 90 Teilnehmer begrüßen, die einen inhaltlich kompetenten Redner erlebten. Der Erste Polizeihauptkommissar (EPHK) Andreas Heuser informierte in einem mitreißenden, ausschließlich auf Fakten und eigener Erfahrung basierenden lebendigen, engagierten, plastischen und zugleich trotz der eigentlich schlimmen und furchteinflößenden Thematik durch und durch humorvollen Vortrag, wie man gefälschte und verfälschte Personaldokumente, Pässe und Ausweispapiere erkennen kann.

Die Thematik und Problematik hat inzwischen erschreckende Dimensionen angenommen. Alles, aber auch wirklich alles lasse sich im Zeitalter des Internet fälschen, Legimitationspapiere aller Art. Weil alles, was dazu nötig ist, im Internet zu haben ist, zum Beispiel, simples Beispiel, für ein Abiturzeugnis. „Heute wird an jeder Ecke beschissen, weil es jeder kann“, wurde der 55 Jahre alte Spezialist drastisch deutlich. Um dann einzugestehen, dass es bei ihm selbst, dem Sohn eines Vaters mit eigener Druckerei, interesse-, fähigkeits- und umständehalber auf etwas krummen Wegen in Sachen Dokumentenfälschung seinen Anfang genommen hat. Indem er Schulkameraden per Notenretusche im Zeugnis Unbill mit deren Eltern erspart hat. Eine Zeitlang jedenfalls, bis die krumme Tour schließlich aufflog.

Nach seiner Zeit als Berufssoldat „landete“ Heuser schließlich bei der Polizei - und konnte dort schnell seine Fähigkeiten in Sachen „falsche Pässe und Dokumente und deren Erkennung“ zum Einsatz bringen. In diesen und dann in vielen Tausend weiteren Fällen bis dato legal. Unter anderem ist Heuser, der auch Diplom-Verwaltungswirt ist, heute als Dozent für Urkundendelikte an der Polizeiakademie Hessen im Fachbereich Kriminalitätsbekämpfung tätig.

Heusers Spezialkenntnisse kamen dann auch bald außerhalb der Polizei zum Einsatz. Er entwickelte zum Beispiel die Eintritts- und Akkreditierungskarten zur Fußball-WM 2006 in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung ihrer Fälschungssicherheit. Und dies ist nur ein Beispiel von vielen. Außerdem hat der gebürtige und auch hier noch ansässige Mittelhesse an Entwicklung und Einsatz modernsten technischen und technologischen Geräts und wirkungsvollen Prüfszenarien mitgewirkt, mit denen es in der polizeilichen Ermittlungsarbeit und auch bei anderen Institutionen, zum Beispiel bei Ämtern und Behörden, aber auch Banken, Sparkassen möglich ist, falschen Dokumenten sicher auf die Spur zu kommen. Was dabei zu beachten ist und wie Dokumente oft auf sehr einfache Weise - und deshalb eigentlich auch von jedermann - als falsch erkennbar sind, daran ließ Andreas Heuser sein Publikum in Wetzlar teilhaben.

Im Zuge des Schengen-Abkommens (grenzenloses Europa) und nicht zuletzt auch der Flüchtlingswelle nach 2015 werden in Deutschland immer mehr ausländische Dokumente und Urkunden vorgelegt. Und der Missbrauch durch Fälschungen bei Reisepässen, Identitätskarten, Führerscheinen, Banknoten und Kreditkarten ist laut Heuser gewaltig. Da dem Fälscher die echten Ausgangsstoffe und Produktionsverfahren mit ihren besonderen Sicherungselementen nicht zugänglich und oftmals auch nicht bekannt und die Ausgangsstoffe im freien Handel zumeist nicht verfügbar sind, muss der Fälscher eine unechte falsche Urkunde oder ein Falsifikat herstellen, die Sicherheitselemente imitierend oder nachahmend.

Heuser will in seiner regen Vortragstätigkeit vor unterschiedlichstem Publikum für den Deliktbereich Urkundenfälschung sensibilisieren und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Denn: „Fälscher machen Fehler, deshalb muss man wissen, wo man hinschauen muss.“ Wobei ein Pass mit eindeutigen Gebrauchsspuren und zahlreichen Stempeln in aller Regel ein echtes Dokument ist. Per Hand beschnittene Ecken, verwaschene Drucke, eine „nach Computer riechende“ Unterschrift und vieles mehr sind dagegen sichere Anzeichen für eine Fälschung - und per Augenschein zu erkennen.

Dabei ist es „abenteuerlich und eigentlich unfassbar“, was im Zusammenhang mit falschen Dokumenten, nicht zuletzt bei der Schleusung von Illegalen praktiziert wird und die Polizei auf den Plan ruft. Dabei werden Falschgeld und falsche Ausweise heutzutage im Darknet bestellt - und dann auf dem Postwege zugestellt. Für 990 Euro ist ein schottischer Reisepass im Netz zu haben. Anhand zahlreicher Bilder aus seiner Tätigkeit ließ Heuser sein Publikum Einblicke in diese illegale Welt nehmen. Zum Beispiel mit den mehr als 60 unterschiedlichen Identitätskarten eines einzigen Täters. Dass auf diese Weise „Betrug auf ganzer Linie“ begangen wird mit horrenden Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft, liegt auf der Hand.

Ein hoch interessanter, verdichteter und überzeugend dargebrachter Vortrag ging dann aber eher ernüchternd zu Ende. Dass die Polizei versuche, „vor die Tat zu kommen“, also vorbeugend und Straftaten verhindern zu agieren und nicht nur „hinter der Tat“ aufklärend agieren zu müssen, ist das eine. Die Antwort auf die Frage aus dem Publikum nach den juristischen Konsequenzen, das andere. Denn die juristischen Folgen für Täter, die sich der Urkundenfälschung oder des Gebrauchs gefälschter Dokumente strafbar machen, nannte der polizeiliche Experte schlicht „traurig“.

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Franz Ewert

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