Achtung, Sprachpolizei!

Die wahren Hintergründe über das „Unwort des Jahres“

Die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat in einem sehr bemerkenswerten Artikel in der „Welt“ zur Aufklärung über die Arbeit der sogenannten Jury für das „Unwort des Jahres“ beigetragen.

Hinter der Jury, deren Entscheidung alljährlich prominent auch in der „Tagesschau“ verkündet wird, verbirgt sich entgegen aller Vermutungen keine offiziell benannte Denkschmiede. Vielmehr handelt es sich um eine Clique von vier Wissenschaftlern und einem Autor, die sich eigeninitiativ zusammengeschlossen haben.

Die Bevölkerung wird aufgerufen, Vorschläge einzusenden. Wie oft Begriffe benannt werden, ist unerheblich. Der beim letzten Mal drittplatzierte Begriff „Ethikmauer“ wurde genau ein einziges Mal aus der Bevölkerung vorgeschlagen. Die Zahl der Einsendungen lag beim letzten Mal bei rund 670. 2011 waren es noch 2500.

Sprachkritik, so Schröder in ihrem Artikel, sei per se natürlich ein wichtiges Anliegen. Aber die Frage sei, gehe es um eine linguistische Sprachkritik oder um Begriffe, die etwas anderes beschreiben als sie meinen, wie zum Beispiel „Klimaleugner“, die schließlich nicht das Klima als solches leugnen, sondern mögliche Erklärungen für die Veränderungen. Die Jury dürfte eher den Grundsatz „Sprachkritik ist immer auch Gesellschaftskritik“ beherzigen, denn sie selbst nennt als Kriterium für ihr Urteil u.a. auch die Frage, ob Wörter oder Formulierungen „gegen das Prinzip der Menschenwürde“ verstoßen oder „einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren“.

Damit ist allerdings klar, dass die Jury sich gesellschaftspolitisch und weniger sprachwissenschaftlich kritisch äußert. Schaut man sich die Unworte der letzten Jahre an, wie „Klimahysterie“, „Antiabschiebeindustrie“, „Genderwahn“, „Gutmensch“ oder „Lügenpresse“, dann sind diese politisch alle links konnotiert. Man muss diese Begriffe nicht verwenden, muss sie nicht für gutheißen, aber man könnte ja auch auf die Idee kommen, das Wort „Bulle“, „Aktivist“, „Alte weiße Männer“ oder „Umweltsau“ zu benennen. Hieraus wird deutlich, dass es sich eher um eine politische Debatte, denn um eine sprachwissenschaftliche Debatte handelt.

Die Autoren können als Wissenschaftler und Privatpersonen äußern was sie wollen. Das ist ihr gutes Recht. Aber ihre Bedeutung gegenüber der Presse und dem Fernsehen ergibt sich aus der angeblichen Wissenschaftlichkeit, die allerdings keine ist. Im Sinne der Aufklärung müsste es Aufgabe der Medien sein, gelegentlich einmal zu hinterfragen und darzustellen, wer sich hinter dieser Jury verbirgt.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024