Pro Polizei Wetzlar hatte zum Thema OK eingeladen

Organisierte Kriminalität ein Milliardengeschäft

Auf Einladung der Wetzlarer Bürgerinitiative „Pro Polizei“ war Professor Dr. Arndt Sinn aus Osnabrück zu Gast. Er ist dort Direktor des Zentrums für Europäische und Internationale Strafrechtsstudien und einer der Spezialisten im Bereich der Organisierten Kriminalität. Pro-Polizei-Vorsitzender Hans-Jürgen Irmer konnte zu dieser Veranstaltung in „Tasch’s Wirtshaus“ über 100 Teilnehmer begrüßen, die einen trotz der Ernsthaftigkeit des Themas lockeren und humorvollen Professor erlebten, der an einigen Beispielen sehr anschaulich deutlich machte, dass auch jeder Einzelne seinen Beitrag zur Bekämpfung der OK leisten kann.

Sinn wies darauf hin, dass der illegale Handel mit Fälschungen, welcher Art auch immer, ob Taschen, Hemden, T-Shirts, Arzneimittel, Autoteile und vieles andere mehr, vom materiellen Wert her größer sei als das klassische Betätigungsfeld von Banden u.a. im Bereich Drogen, Prostitution und Waffen. Diese OK erfolge nicht durch Einzeltäter, sondern von in der Regel ausländischen Gruppierungen, den berühmt-berüchtigten arabischen Clans, die in der Regel im Bereich Drogen und Schutzgelderpressung unterwegs seien, während die Russen-Mafia auf Ladendiebstahl und Wohnungseinbruch spezialisiert sei. Clans vom Balkan, gerade in Süddeutschland, wären häufig auf Einbruchstour, und polnische Banden wären zunehmend durchaus erfolgreich im Sprengen von Geldautomaten.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), so Sinn, gehe davon aus, dass jährlich an die 800 Milliarden Euro durch die Organisierte Kriminalität verdient würden. Das meiste Geld entfalle auf die sogenannte Produktpiraterie mit rund 460 Milliarden. Dieses illegale Geschäft mit gefälschter Ware werde durch den Onlinehandel beflügelt. Viele Güter kämen dabei aus China und Hongkong. Sie würden sich auf allen Urlaubsmärkten wiederfinden, und wer glaube, in seinem Urlaub ein Schnäppchen mit einer Markentasche, einer Armbanduhr, einem Ledergürtel oder einem T-Shirt gemacht zu haben, der könne mit 99-prozentiger Sicherheit davon ausgehen, dass er ein gefälschtes Produkt gekauft habe. Leider werde damit ein Beitrag zur OK geleistet, obwohl das natürlich niemand wolle. Von daher rate er dringend davon ab, solche scheinbaren Schnäppchen im Urlaub oder auch im Onlinehandel zu kaufen.

Das Risiko für die Verbrecher, erwischt zu werden, sei relativ gering, da der Sitz in der Regel im Ausland sei. Daher brauche man internationale Vorgaben. Wichtig sei, soweit machbar, das Geld zu konfiszieren und die Struktur zu zerschlagen. Dazu sei es nicht nötig, den kleinen Händler vor Ort zu inhaftieren. Der werde innerhalb kürzester Zeit durch einen anderen ersetzt, sondern wichtiger sei es, an die Hintermänner heranzukommen.

Aus seiner Beratertätigkeit bei Europol, so Sinn, wisse er, dass es rund 5000 internationale kriminelle Vereinigungen gebe mit Mitgliedern aus 180 Nationalitäten. 70 Prozent davon seien international aktiv. Geldfälschung, Kreditkartenbetrug, Menschenhandel, Prostitution, Manipulation von Sportwetten seien deren Geschäftsfelder. Das Ganze, so Sinn abschließend, sei nur lösbar, wenn die internationalen Polizeibehörden wie Europol und Interpol nicht nur eng zusammenarbeiten, sondern auch die Chance bekommen, entsprechende Daten auszutauschen.

Ein Aspekt, so Irmer, der Mitglied des Kontrollgremiums von Europol ist, der dort sehr intensiv diskutiert werde. Aus deutscher Sicht müssen Europol und Interpol sogenannte „Hotspots“, also Zentren des Datenaustausches, sein und noch intensiver werden, damit die Mitgliedsstaaten auch entsprechende Informationen abgreifen können.

Der Vorstand bedankte sich mit einem kleinen Präsent bei Professor Sinn für einen exzellenten und in die Tiefe gehenden Vortrag. Langanhaltender Beifall des Publikums machte dies ebenfalls deutlich.

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Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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