Tag der Deutschen Einheit

Viele Menschen leben in Angst vor Putin
Journalist Boris Reitschuster über seine Erfahrungen in Russland

„Viele Russen haben massive Angst vor Putin und seinem Geheimdienst (KGB), der überall präsent ist. Obwohl die Bevölkerung mehrheitlich gegen die Politik der Regierung eingestellt ist, trauen sich nur wenige öffentlich zu protestieren. Eine Entwicklung, die stark an die Stalin-Ära erinnert.“ Das betonte der Journalist Boris Reitschuster, der seit 17 Jahren in Moskau lebt und viele Jahre als Korrespondent des Magazins „Focus“ tätig war.

Reitschuster war Hauptredner beim Festtag zum Tag der Deutschen Einheit, zu dem die CDU Lahn-Dill eingeladen hatte. Im Wetzlarer Tagungszentrum „Blattform“ konnte der Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der CDU, Hans-Jürgen Irmer, rund 100 Gäste begrüßen. Unter ihnen auch die Vorsitzende des Kreistages Lahn-Dill, Elisabeth Müller, und den neuen Landtagsabgeordneten Frank Steinraths. „Der 3. Oktober ist ein Grund zur Freude und Dankbarkeit, denn wir haben seit 27 Jahren die Einheit in Freiheit“, so Irmer. „Wir haben bewusst das Thema „Putin und sein Land“ gewählt, um aufzuzeigen, wie die Menschen in einem Unrechtsstaat leben.“

„Russland ist für mich zur zweiten Heimat geworden. Ich habe die einfachen Menschen kennengelernt, aber auch die Strategie von Wladimir Putin (62), des umstrittenen Präsidenten der Russischen Föderation am eigenen Leibe erfahren. Er liebt die Pose des starken Mannes und lässt sich auch mal oben ohne auf Bärenjagd fotografieren. Ab 1985 war der studierte Jurist und Offizier in der Abteilung Auslandsspionage der DDR tätig.1990 wurde er vom KGB in die UdSSR zurückbeordert, wo er seit drei Amtszeiten als Präsident für die politische Ausrichtung verantwortlich ist“, so beschreibt Reitschuster die sowjetische Tradition der Machtpolitik, sie entspräche alten Strategien im neuen Gewand. Dazu würden auch die Trolle im Netz gehören, die Meinungsmache betreiben.

„Die einfachen Russen sind sehr deutschlandfreundlich, haben einen ansteckenden Humor und sagen offen ihre Meinung. Aber erst, wenn sie sicher sind, dass sich in ihrer Nähe keine zweifelhaften Personen tummeln, sie könnten Spitzel des KGB und damit gefährlich sein“, erzählt der Journalist und Sachbuchautor. „Der Zusammenbruch der Sowjetunion war für Putin die „größte geopolitische Katastrophe“ des Jahrhunderts.“ Seither ist er unablässig bestrebt, Russlands Status als Großmacht wieder herzustellen, dabei ist ihm fast jedes Mittel recht.

Das Verhältnis zum Westen ist ambivalent und häufig von Irritationen geprägt. Viel Kritik erntete er für seine Politik gegenüber der Ukraine, dem Verbot „homosexueller Propaganda“ und seiner Taktik im Syrien-Konflikt. Viele Analysten bestätigen immer wieder, dass Putin wohl keinerlei Interesse an einer Politik der Annäherung an den Westen habe. Aber was trägt dieses System? Es sind wohl die Ängste der eigenen Bevölkerung, jeder befürchtet abgeholt zu werden. Und Putin versteht es, der Bevölkerung zu suggerieren, dass sowohl die Mauer in der DDR als auch die Ereignisse in der Ukraine zum Schutz der Faschisten aus dem Westen notwendig waren.

Viele Bundesbürger verstehen nicht, warum Gerhard Schröder so kurz vor der Bundestagswahl von Putin angeheuert wurde. „Er wollte wohl seinem Volk demonstrieren, ich bin so mächtig, dass ich mir einen ehemaligen Bundeskanzler leisten kann. Obwohl viele in Schröder nur eine Handpuppe von Putin sehen.“ Breitschuster spricht auch das Thema „Mafia-Bosse“ an, die auf die Regierung einen großen Einfluss hätten. Durch Bestechung kann man in Russland alles regeln. Dabei gehören 110 Menschen dieser Kaste über 75 Prozent des Volksvermögens und das Land blutet aus. Außerhalb Moskaus bricht die Infrastruktur zusammen. Es fehlen Krankenhäuser, Nahrungsmittel, Arbeitsplätze und eine soziale Versorgung und keiner muckt auf, denn alle haben Angst vor der Macht. „Aber auch die Kreml-Kritiker haben es nicht leicht, sie werden in Scheinprozessen verurteilt und verschwinden meist in Arbeitslagern. Aber nicht nur die russische Amtskirche ist mit dem Staat verbandelt, auch die deutsche Partei, die Linke, die sich bis heute als Nachfolger der SED sieht, pflegt den Kontakt mit Moskau. Was auch von der AfD behauptet wird.“

„Mit Propagandafilmen macht Putin der Bevölkerung Angst. Der böse Westen plant einen Krieg gegen Russland, schon heute sind wir von der NATO umzingelt, also müssen wir aufrüsten“. Dabei stellte Reitschuster einen dieser Filme vor. Nur Angstmache, denn die über 13.000 Staatsagenten, die heute verdeckt im Westen arbeiten, kennen die Lage bei uns sehr genau. Aber der Machtpolitiker Putin möchte in Europa die Rolle spielen wie die USA.

„Wir sollten den Menschen in Russland das Signal geben: Wir möchten gern mit euch zusammenarbeiten, aber nicht mit dieser Regierung“, so Reitschuster in seinem Schlusswort.

Zum Abschluss sangen die Teilenehmer gemeinsam die Nationalhymne. Für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung sorgte das Akkordeon-Ensemble aus Schönbach.

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